Die Muttergottes und die Blumen

Marienmonat Mai: Ein Streifzug durch die marianische Botanik

Veröffentlicht am 14.05.2023 um 12:04 Uhr – Von Benedikt Heider – Lesedauer: 

Bonn ‐ Während draußen die Natur erblüht, besingt die Kirche im Mai die Mutter Jesu als "Rose ohne Dornen" und "Lilie ohnegleichen": Mit dem Marienmonat sind viele florale Motive verbunden. Doch was hat es mit diesen Blumen auf sich? Ein Streifzug durch die marianische Blumensymbolik.

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"Maria dir befehlen wir, was grünt und blüht auf Erden. O lass es eine Himmelszier in Gottes Garten werden!", heißt es im Marienlied "Maria, Maienkönigin". Während draußen die Natur erblüht, besingt die Kirche im Mai die Mutter Jesu als "Rose ohne Dornen" und "Lilie ohnegleichen". Eng mit dem Frühling und dem Marienmonat Mai sind Motive der Floral- und Gartenallegorik verbunden. Besonders deutlich wird die Verbindung von Marienfrömmigkeit und Botanik nicht nur in Liedern, sondern auch an Marienaltären und Figuren, die in dieser Zeit besonders mit Blumen geschmückt werden.

Auf Grundlage alttestamentlicher Motive wird Maria schon früh mit Blumen und Pflanzen verglichen. So lässt sich der Vergleich der göttlichen Weisheit mit der in Jericho gepflanzten Rose, ebenso wie die Weissagung, dass aus der Wurzel Jesse ein Reis entspringen werde, marianisch deuten. Ab dem Mittelalter entwickelte sich vor allem in Frauenklöstern eine besondere marianische Floralsymbolik. Meist handelt es sich um Symbole für Lebensstationen oder Tugenden.

Das Rosen-Motiv gilt beispielsweise seit jeher als Attribut der Liebe, der Jugend, des Frühlings sowie als Zeichen des Paradieses. Während die Rose in der römischen Mythologie der Liebesgöttin Venus zugeordnet war, steht sie im Christentum für die Reinheit und Unschuld und eignet sich daher als Symbol für Maria. Auch hier war wieder das Alte Testament entscheidend für die marianische Bedeutungsvielfalt. Die Dornen der Rose können theologisch als Symbol des Sündenfalls gedeutet werden, wohingegen die dornenlose Blüte die Jungfräulichkeit symbolisiert.

Der Maialtar – Eine vergessene Tradition zu Ehren der Gottesmutter

Der Mai gilt traditionell als Monat der Gottesmutter. Ein guter Anlass, die Verbindung zu ihr zu intensivieren oder vielleicht überhaupt mit ihr in Kontakt zu treten – auch in der eigenen Wohnung.

Aus der biblischen "Lilie unter Disteln" wurde in der christlichen Tradition eine "Rose unter Dornen". Einer Legende nach sollen die Rosen des Paradieses keine Dornen gehabt haben. Die schmerzhaften Dornen sollen den Blumen erst nach dem Sündenfall gewachsen sein. Da die christliche Tradition Maria von Anfang an frei von Erbsünde versteht, kommt ihr folgerichtig der Titel "Rose ohne Dornen" zu. Die Menschwerdung Jesu durch Maria führte zur Anrufung Mariens als "Rosa mystica" in der Lauretanischen Litanei. Auch die traditionelle Bedeutung der Rose als "Königin der Blumen" entwickelte sich zum Attribut Mariens als Himmelskönigin.

In der christlichen Kunst finden sich Rosen häufig als Schnitzereien oder auf Gemälden. Die weiße Rose steht dabei für die Jungfräulichkeit und Reinheit Mariens, die rote als Anteil der Gottesmutter an Christi Leiden und Sterben.

Als tatsächliche "Rose ohne Dornen" ist die Pfingstrose ein Symbol für Maria, wie sie auch besungen wird. Pfingstrosen erfreuen sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit. In der Zeit um Pfingsten blühen sie in Gärten.

Rosen in verschiedenen Rottönen.
Bild: ©Adobe Stock/Eberhard

Die weiße Rose steht dabei für die Jungfräulichkeit und Reinheit Mariens, die rote als Anteil der Gottesmutter an Christi Leiden und Sterben.

Auch Lilien spielen als eine der ältesten Zierpflanzen der Welt eine Rolle in einer der bedeutendsten Marienlegenden. Sie besagt, dass nach dem Tod Mariens "Lilien und fruchtbare Gewächse" statt ihres Leichnams von den Aposteln gefunden worden seien. Im Anschluss an diese Erzählung erklärte Papst Pius XII. die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel 1950 zum Dogma. In Süddeutschland wird Maria auch als die "Lilie der Täler" verehrt und in der Kunst oft mit einer weißen Lilie, der "Madonnen-Lilie", in der Hand dargestellt. Sie steht in diesem Zusammenhang für die Keuschheit.

Aber auch die Nelke spielt eine Rolle in der Marienfrömmigkeit. Sie ist prominentes Motiv in Leonardo da Vincis Werk "Maria mit dem Kinde". Die Gottesmutter hat das Jesuskind dabei auf dem Arm, das greift nach der roten Nelke in ihrer Hand. Deshalb wird das Kunstwerk auch als "Madonna mit der Nelke" bezeichnet. Die rote Nelke gilt als Mariensymbol, weil sie für die Liebe steht.

Gänseblümchen für die Gottesmutter

Nicht nur edle Schnittblumen stehen für die Gottesmutter: Auch Gänseblümchen werden mit Maria in Verbindung gebracht. Sie symbolisieren Reinheit und Bescheidenheit. Beides sind klassische Attribute der Gottesmutter. Einige Gemälde zeigen Maria auf einem Grasteppich mit Gänseblümchen. Eine Marienlegende erzählt, dass bei der Flucht aus Ägypten aus Mariens Tränen Gänseblümchen gewachsen sein sollen.

Ebenso wird die Schwertlilie mit Maria in Verbindung gebracht. Ihr zweigeteiltes Blatt steht einerseits für die Schmerzen Mariens, andererseits für ihre Standhaftigkeit gegenüber dem Teufel. Wie die Rose gilt auch die Schwertlilie als Symbol für die wahre Fleischwerdung Jesu und findet sich oft in Kunstwerken als Attribut der Gottesmutter mit dem Kind.

Die schwarzviolette Akelei soll symbolisch auf die Demut Mariens verweisen. Ein bekanntes Bild zeigt die "Anbetung der Könige" mit sieben Akelei-Blüten. Sie symbolisieren die Gaben des Heiligen Geistes und ebenso die sieben Schmerzen Mariens. Auf Heiligenbildern wird die Akelei als Symbol für Lobpreisung und Anrufung Christi gedeutet.

Das Veilchen steht für die Demut Mariens. Seine Unterart, das wilde Stiefmütterchen wird in seiner Dreifarbigkeit zudem als Symbol für die Dreifaltigkeit Gottes gesehen. Es gilt als Symbolblume des Dreifaltigkeitssonntags. Früher trug man an diesem Tag Stiefmütterchen mit in die Kirche.

Bild: ©Google Art Project

Der Paradiesgarten ist ein Bildthema, das als Hortus conclusus (“geschlossener Garten”) eine wichtige Rolle in der marianischen Frömmigkeit spielt. Hier: Paradiesgärtlein, Oberrheinischer Meister

Viele dieser Blüten sind im marianischen Motiv des Paradiesgärtleins vereinigt. Der Paradiesgarten ist ein Bildthema, das als Hortus conclusus ("geschlossener Garten") eine wichtige Rolle in der marianischen Frömmigkeit spielt. Dieses Bildmotiv taucht mit seiner zugehörigen Pflanzenmotivik auch in vielen Marienliedern auf und geht ebenfalls zurück auf eine Interpretation des Hohenlieds.

Das Hohelied der Liebe parallelisiert eine Braut mit dem Bild eines herrlichen Gartens. Schon die jüdische Schriftauslegung nutzt diese Stelle als Metapher für das Verhältnis zwischen Gott und seinem Volk.  Das Christentum adaptiert diese Deutung, wendet sie aber auf sein eigenes Verhältnis zu Gott an. Im vierten Jahrundert fängt die Theologie an, Maria als Urbild der Kirche zu interpretieren. Daraufhin wird die Gartenmetaphorik auf sie bezogen. Der Mystiker Rupert von Deutz deutete im 12. Jahrhundert den verschlossenen Garten in seinem Hohenliedkommentar als Gleichnis der Jungfräulichkeit Mariens. Das Gartenmotiv als neues marianisches Sinnbild hat fortan große Auswirkung auf Dichtung und Kunst. Besonders im späten 14. und im 15. Jahrhundert entfaltete sich der Garten als marianisches Bildthema, wie das der Madonna im Rosenhag oder das des Paradiesgärtleins.

Von Benedikt Heider